Unser heutiger „zivilisierter“ Lebensstil, der es uns sehr leicht macht, sich wenig zu bewegen und viel (Fastfood) zu essen, hat einen großen Einfluss darauf, dass die Anzahl der fettleibigen Menschen immer mehr zunimmt [1]. Fettleibigkeit kann zu Folgeerkrankungen wie Stoffwechselstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen und einem geschwächten Immunsystem führen [2].
Aufgrund der steigenden Anzahl von Menschen mit starkem Übergewicht, ist es unabdingbar den Menschen natürliche Wege aufzuzeigen, wie sie aus adipösen Zuständen und Stoffwechselstörungen wieder herauskommen. Zusätzlich ist es wichtig, oxidativen Stress zu reduzieren, um dadurch die körpereigenen Abwehrmechanismen zu stärken.
Was ist oxidativer Stress und warum sollte er verringert werden? Oxidativer Stress bedeutet die vermehrte Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) im Körper. Er entsteht unter anderem durch Chemikalien, Schadstoffe, Medikamente, UV-Strahlung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Oxidativer Stress verursacht Schäden an Zellmembranen und kann zu Mutationen im Erbgut (in der DNA) führen. ROS werden durch Antioxidantien neutralisiert, wodurch Schäden vorgebeugt wird. Antioxidantien sind in Nahrungsmitteln wie Zitrusfrüchten, Gemüse, Nüssen und Samen enthalten (exogene Antioxidantien) und werden außerdem von der Zelle selbst produziert (endogene Antioxidantien). Ein guter antioxidativer Status bedeutet, dass genügend Antioxidantien im Körper vorhanden sind, um oxidativen Stress zu neutralisieren.
Ein möglicher Ansatz, um Übergewicht zu reduzieren, Stoffwechselstörungen zu normalisieren und oxidativen Stress zu verringern, ist das Langzeitfasten. Dies wurde in einer aktuellen Studie untersucht.
Studie untersucht den Einfluss des Fastens auf den Stoffwechsel und den antioxidativen Status
Prof. Demetrios Kouretas, der Leiter der toxikologischen Abteilung der Universität Thessalien in Griechenland, untersuchte zusammen mit der renommierten Wilhelmi-Buchinger Klinik die Auswirkungen des Langzeitfastens auf den antioxidativen Status [5]. Die Wilhelmi-Buchinger Klinik wurde vor 100 Jahren durch den Arzt, Philosophen und Fasten-Pionier Otto Buchinger gegründet. Er selber litt an einer schweren Form von rheumatischer Polyarthritis, welche er mit Fasten „heilen“ konnte. Fortan widmete er sich einer medizinisch fundierten Fastentherapie.
Studiendesign
An der oben angeführten Studie nahmen 109 Personen teil, die an der Wilhelmi-Buchinger Klinik mehrere Tage fasteten. Die Probanden waren zwischen 18 – 70 Jahre alt und fasteten 7 bis 13 Tage [6].
Alle Teilnehmer unterzogen sich einem medizinisch überwachten Fastenprogramm inklusive körperlicher Übungen und diverser Behandlungen. Am Vortag des Fastenbeginns erhielten sie leichte Gerichte wie Reis, Gemüse oder Obst mit einem Gesamtenergiegehalt von 600 kcal. An den Fastentagen bekamen die Probanden mittags einen 250 ml frisch gepressten Orangensaft, abends 250 ml einer Gemüsesuppe und jeden Tag 20g Honig, so dass sie auf eine tägliche Kalorienzufuhr von etwa 250 kcal kamen. Alle waren angehalten, täglich 2 – 3 l Wasser oder ungesüßten Kräutertee zu trinken. Nach dem Fasten erfolgte mit einer vegetarischen Diät eine schrittweise Erhöhung der täglichen Kalorienzufuhr von 800 bis 1600 kcal.
Klinische Daten und Messungen
Die Studienteilnehmer wurden vor Beginn der Fastenperiode und nach Ende des Fastens einer ausführlichen körperlichen Untersuchung unterzogen. Es wurden Werte wie Größe und Taillenumfang bestimmt. Das Gewicht, der Blutdruck und die Herzfrequenz wurden täglich gemessen. Außerdem schätzten die Probanden ihr Energielevel anhand einer Skala von 0 (schwach) bis 10 (kraftvoll) ein.
Blutmessungen wurden zweimal durchgeführt, vor dem Fasten und nach der Fastenperiode. Es wurden Standard-Blutwerte wie Cholesterin (Gesamtcholesterin, HDL, LDL), Triglyzeride, Leberwerte, Nierenwerte, Blutzucker, Hb1Ac (Langzeitblutzucker), Insulin und Entzündungsparameter bestimmt. Um den Redox-Status untersuchen zu können, wurden 12 entsprechende Biomarker wie z.B. Glutathion und Glutathionperoxidase gemessen, die als wichtige Antioxidantien wirken.
Ergebnisse
Das Ziel der Studie war es, die Wechselwirkung zwischen dem Redox-Status und der Stoffwechseländerungen, die sich beim Langzeitfasten ergeben, zu analysieren.
Es konnte unter anderem gezeigt werden, dass sich durch das mehrtägige Fasten die antioxidative Gesamtkapazität im Blut erhöht.
Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu dem, was die Forscher erwarteten. Denn während des Fastens werden natürlicherweise weniger Mikronährstoffe mit antioxidativen Eigenschaften über die Nahrung aufgenommen (wie z.B. Vitamin B, Vitamin E, Zink und Selen). Es wurde folglich davon ausgegangen, dass die antioxidative Reserve abnimmt.
- Das Fasten bewirkte hingegen eine erhöhte endogene Produktion von Antioxidantien, die uns gegen freie Radikale schützen. Wenn also die exogenen, die von außen zugeführten, Antioxidantien fehlen, dann sind die endogenen Antioxidantien ausreichend, um die Homöostase aufrecht zu erhalten.
- Das umfasst auch Urinsäure und Bilirubin, zwei wichtige endogene Antioxidantien.
- Zudem konnte gezeigt werden, dass sich gesundheitsschädliche oxidative Angriffe auf Zellstrukturen, die aus Lipiden (Fetten) bestehen – wie etwa Zellmembranen , durch das Fasten reduziert wurden.
- Neben den antioxidativen Messwerten verbesserten sich auch Stoffwechselparameter wie LDLCholesterin, Triglyzeride, Blutzucker und Insulin.
- Zusätzlich nahmen das Körpergewicht und der Taillenumfang ab.
- Darüber hinaus konnte eine bereits in früheren Studien [7] festgestellte Verbesserung sowohl des Glukose als auch des Fettstoffwechsels durch diese Studie bestätigt werden.
- Die Studie ergab außerdem, dass Personen mit großem oxidativem Stress ihre LDLWerte während des Fastens weniger gut senken konnten. Zur Analyse wurden maschinellen Lernalgorithmen verwendet, die das Zusammenspiel von Redox- und Stoffwechselparametern bewerteten. Die Höhe des oxidativen Stresses zu Beginn des Fastens scheint somit die Wirksamkeit des Langzeitfastens vorherzusagen.
- Insgesamt stiegen das emotionale Wohlbefinden und das Energieniveau der Fastenden.
Fazit: Langzeitfasten wirkt doppelt positiv
Langzeitfasten ist ein wirksames Werkzeug, um oxidativen Stress zu reduzieren.
Obwohl während des Langzeitfastens nur wenig exogene Antioxidantien (im Rahmen der Studie in Form von Orangensaft und Gemüsesuppe täglich) zugeführt wurden, erhöhten sich die endogenen Antioxidantien signifikant.
Gleichzeitig normalisieren sich wichtige Stoffwechselparameter wie Gesamtcholesterin, LDL und Triglyzeride, Blutzucker und Insulin. Auch das Körpergewicht, der Taillenumfang und der Blutdruck nahmen ab.
Das Langzeitfastens wirkt also doppelt positiv. Die Zunahme der antioxidativen Kapazität geht mit einer Normalisierung wichtiger Stoffwechselparameter einher. Beides sind wichtige Mechanismen, um Zivilisationskrankheiten vorzubeugen und körpereigene Abwehrmechanismen zu stärken.
Quellen
[1] Blundell J. et al. Variations in the Prevalence of Obesity Among European Countries, and a Consideration of Possible Causes, Obes Facts. 2017
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28190010/
[2] Sultiel A. et al. Inflammatory mechanisms linking obesity and metabolic disease, J Clin Invest. 2017
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28045402/
[3] Grundler F. et al. Interplay between oxidative damage, the redox status, and metabolic biomarkers during long-term fasting. Food Chem Tox. 2020
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0278691520305913?via%3Dihub
[4] Wilhelmi de Toledo et al., Unravelling the health effects of fasting: a long road from obesity treatment to healthy life span increase and improved cognition. Ann. Med, 2020
https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/07853890.2020.1770849